Kaukasus
Der Kaukasus zieht sich in einer Länge von 1100 Kilometern und einer Breite von 100 bis 160 Kilometern vom Nordostufer des Schwarzen Meeres bis zum West- und Südwestufer des Kaspischen Meeres. Die höchsten Berge, die erloschenen Vulkane Elbrus und Kaspek, sind über 5000 Meter hoch. Der kleine Kaukasus verläuft im Süden parallel und schließt Armenien nach Norden ab. Hier erreichen die Berge eine Höhe von 4000 Metern. Die im Westkaukasus häufigen Niederschläge bewirken den Wald- und Wildreichtum dieses Gebietes. Der weniger bewaldete Osten ist wie das armenische Bergland mit seinen guten Weiden für Schafzucht geeignet. Die Ebene zwischen beiden Gebirgen ist sehr geschützt, so dass an der Schwarzmeerküste mediterrane Pflanzen und auch Wein gedeihen. In der Osthälfte des Kaukasus, der Schirwan- und Moghan-Steppe, leben Nomadenstämme. Hier liegt das Hauptzentrum der Teppicherzeugung. Die in Schirwan gepflanzte Baumwolle wird gelegentlich für das Grundgewebe, vornehmlich als Schuss, der Teppiche dieser Gegend verwendet. Schirwan und Karabagh erzeugen zwar seit Jahrhunderten bereits Seide, doch spielt sie für die Teppichproduktion dieses Gebietes nur eine geringe Rolle. Ausnahmen bilden einige Erzeugnisse aus Daghestan oder Marasali, deren kleine Blüten mit Seide gefüllt wurden. Die Handelswege führen in nordwestlicher Richtung entlang des Kaukasus.
Es gibt nur wenige Nord-Süd-Verbindungen. Die schmale Küstenebene am Kaspischen Meer bietet sich schon von alters her als gegebene Verbindung zwischen Persien und Südrußland an. Die Geschichte des Kaukasus und des armenischen Berglandes weist noch große Lücken auf. Die Anzahl der im Kaukasus lebenden Stämme wird mit ca. 350 angegeben, die etwa 150 verschiedene Mundarten sprechen. Die Unzugänglichkeit der Gebirgstäler, mit Ausnahme des nordöstlichen Kaukasus, schützte zahlreiche Stämme vor der völligen Unterwerfung durch andere Völker. Um die Wende vom 18. zum 17. Jahrhundert vor Christus erschienen bereits indogermanische Stämme im armenischen Bergland. Im 8. Jahrhundert folgen die indogermanischen Kimmier. Die Meder unterwerfen um 600 v. Chr. das Land und drängen später die Skythen in den Kaukasus zurück. Im 6. Jahrhundert ziehen die Armenier in die Berge und entwickeln eine hohe Kultur. Sie zeigen bedeutende technische Fertigkeiten bei der Farbgewinnung und Wolleinfärbung. Mehrere Statthalter der Seleikiden gründeten selbständige armenische Königreiche. Parther und Sassaniden schließen das Land wieder an das persische Reich an. Derbend ist eine der wichtigen Grenzbefestigungen. Um 300 n. Chr. wird die christliche armenische Kirche gegründet. Im 13. Jahrhundert wird das Land von den Mongolen, im 15. Jahrhundert von den Persern erobert. Im 16. Jahrhundert verwüsten es die Türken. 1590 kommt es zum Friedensschluss mit den Türken. Schah Abbas muss ihnen Transkaukasien, Armenien und Aserbaidschan abtreten. Tributabgaben sind Seide aus Karabagh und Schirwan sowie riesige Mengen von Teppichen. In der Folgezeit erlischt in den von Willkür regierten Gegenden die Teppichknüpfkunst fast völlig. 1603 wird Schah Abbas im armenischen Djulfa als Befreier begrüßt. Dabei entfaltet die Stadt einen ungeheuren Prunk mit schönen Teppichen, Brokaten, Samt, Seide und goldenen, hochkünstlerischen Gefäßen. Ihren Reichtum verdankt die Stadt der verkehrsgünstigen Lage am Schnittpunkt der wichtigsten Karawanenstraßen. Dadurch konnte sie intensiv mit Russland, Europa und China Handel treiben. Der Schah, beeindruckt von dem Fleiß und dem Können der Armenier, deportierte 350.000 Menschen nach Zentral- und Südpersien, um sich ihre Fähigkeiten nutzbar zu machen. Sie werden in der Gegend südlich von Isfahan angesiedelt und tragen zur weiteren Belebung der blühenden Teppichindustrie bei. Die Armenier mischen sich bald unter die verschiedenen Stämme Südpersiens und bringen kaukasische Muster in die Kunst dieser Gegend ein. Die Motive ihrer Heimat vermischen sich mit denen der südpersischen Nomadenstämme wie Gashgai, Luren und Kurden. Einen neuen Aufschwung, von dem auch die Teppichknüpfer profitieren. Die Teppiche entsprechen dem Repräsentationsbedürfnis der Khane, die durch ihren Wunsch nach persischen Mustern bei der Gestaltung der Teppiche mitwirkten. Obwohl persische Motive wie das Miri-Boteh, das Lanzettblatt und Blütenformen in allen Variationen auftreten, bleiben die Muster jedoch streng geometrisch. Kuba-Stickerei-Fragment Sie sind in bunten, geometrischen Flächenformen gestaltet und unterscheiden sich hier ganz eindeutig von den Mustern Persiens. Diese Motivgebung hat sich bis heute erhalten.
Die Namen der Khanate mit bedeutender Teppichherstellung finden sich noch in den Teppichbezeichnungen Gendje (Gjianza), Schirwan (Schemacha), Kuba, Eriwan (Armenier), Baku, Talisch mit Lenkoran und Karabagh. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts fällt Transkaukasien mit Armenien und einem nördlichen Teil Aserbaidschans endgültig an Russland. Bis zur Jahrhundertwende nahm die Bedeutung der Knüpfkunst so zu, dass diese zur Haupteinnahmequelle einzelner Distrikte wurde. Die frühesten, um 500 datierbaren Teppiche sind die sogenannten Drachenteppiche, in deren Rautengliederung vertikal gelegte, stilisierte, geometrisch geformte drachenartige Gebilde und Tierkampfszenen mit riesigen Lanzettblättern und Rosettblüten abwechseln. Die großen Lanzettblätter und die Rosettblüten geben noch Zeugnis von diesen Mustern. Die Ornamente befinden sich meist auf rotem, seltener auf dunkelblauem und in Ausnahmen auf beigem Grund. Die Rauten werden im 17./18. Jahrhundert von großflächigen, mit Blütenstäben belegten Lanzettblättern gebildet, die Tiermotive weichen unter dem Einfluss des sunnitischen Osmanenreiches allmählich. Vielleicht macht sich auch hier bereits der Einfluss persischer Muster aus dem 16. Jahrhundert geltend. Oft wird dann der Platz für die Tierdarstellungen freigelassen, bis nur noch ein Rautenrapport aus großen Lanzettblättern mit Palmettenfüllung übrigbleibt. Die Zacken neigen dazu, sich in die Hakenbesetzung der späteren, rein geometrischen Teppiche umzugestalten. Die Auseinandersetzung mit fremden Formen, seien es Wolkenbänder, Medaillons oder aufsteigende Vasendekore, mündet stets in eine Assimilierung und Verwandlung zu etwas Eigenem ein. Die monumentalen Muster haben strenge Formen, die die schmalen Bordüren fast überdecken. Die Kraft dieser Dekorationsform ist ursprünglicher als die ihrer Vorbilder, die zum Teil aus den untergehenden Hofmanufakturen Persiens stammen. Die Umgestaltung geschieht durch eine tiefgreifende Stilisierung, nicht durch zierliche Verfeinerung oder naturgetreue Darstellung. Die heute noch bekannten Bordürenornamente wie Zinnen, Pfeilspitzen und das Sägeblattmotiv haben alle einen floralen Ursprung und sind in geometrische Formen umgestaltet worden. Sie stammen aus den Gartenteppichen der Hofmanufakturen Zentralpersiens. Auf einigen Gemälden des 15. Jahrhunderts sind Teppiche mit einfachem Rautenmuster oder der Darstellung eines Oktogons abgebildet. Da dieses Muster sich mehr in Anatolien als in Persien wiederfindet. Jedoch noch bis zum 20. Jahrhundert auf kaukasischen Teppichen erscheint, darf man es wohl als Dekorationsform der frühen kaukasischen Teppiche ansprechen, die aus der Türkei abgeleitet wurden. Die Größe der Rauten bleibt im 18. Jahrhundert trotz des verkleinerten Formats der Teppiche erhalten, so dass wie bei Teppichen aus Anatolien nur ein großflächiges Ornament in der Wirkung eines Medaillons übrigbleibt. Das Medaillon selbst findet erst Ende des 18. Jahrhunderts, jedoch in ganz anderer Weise, Verwendung: entweder wird es in bizarrer Form gereiht oder als Stufenpolygon auf einem floralen, geometrischen Grundmuster isoliert wiederholt.
Die vertikale oder versetzte Reihung gleicher Blüten- oder Palmettenformen zum einfachen aufsteigenden Muster lässt im 18. und 19. Jahrhundert eine weitere Gattung entstehen. Eine besondere Gruppe stellen die Gebetsteppiche des Kaukasus dar. Die Stücke weisen eine typische, geometrische, kaukasische Gestaltung auf. Selten ist eine ganze Gebetsnische als Form gezeichnet, häufig ist nur die Konturlinie des Giebels durch ein breites Band angedeutet. Das Grundmuster läuft entweder unter dem Giebel weiter, oder die entstandenen Zwickel sind mit geometrischen Füllmustern bedeckt. Die Gebetsnische besteht aus der großen Fläche der Grundfarbe und ist mit den bekannten geometrischen Formen gefüllt, wie es im Fachralo-Gebiet oft zu finden ist. Jahresangaben sind bei kaukasischen Teppichen nach 1800 häufiger eingeknüpft als bei den Stücken anderer Herkunft. Oft sind die Zahlen nach dem gregorianischen Kalender und in Hedschraziffern angegeben, da in den Dörfern armenische Christen und Moslems zusammenwohnten.
Zentral- und Westkaukasus
Kasakgebiet, Armenien und Karabagh
Diese drei Gebiete müssen geographisch sowie auch in den Eigenarten ihrer Knüpferzeugnisse zusammen betrachtet werden. Das im Osten angrenzende Gendjegebiet kann teilweise integriert werden, da sich die Gruppe des oben beschriebenen Distrikts in dem Begriff ,,kaukasische Gebirgsteppiche“ zusammenfassen lässt. Deren Anfertigung war in den Städten und Dörfern ebenso bekannt wie in abgelegenen Gebirgstälern oder im Hochgebirge. Je nach ihren Herstellern ist die Ausführung der Teppiche grober oder feiner. In den städtischen Bereichen dienten sie zur Repräsentation und Ausschmückung, in den Gebirgen als Schutz vor Kälte und als dekorative Verschönerung der menschlichen Unterkunft. Gerade im Gebirge waren sie ein Ersatz für Felle und repräsentierten gleichzeitig die künstlerische Ausdrucksform einer Gemeinschaft. Für die Herstellung war die Gemeinschaft einer Großfamilie Voraussetzung, denn das von den Männern geschorene Wollmaterial musste von den Frauen gesponnen und von erfahrenen Färbern eingefärbt werden, um dann in häuslicher Arbeit von den Frauen zum Knüpfteppich verarbeitet zu werden. Südlich des Flusses Kura, der die nördliche Grenze bildet, erstrecken sich die Gebirge des kleinen oder südlichen Kaukasus von Westen nach Osten. An das nördliche Gebiet schließt sich Georgien mit der Hauptstadt Tiflis an. Durch die religiösen Gegensätze, die hier aufeinandertreffen, und zwar die russisch-orthodoxe Kirche und der Islam, wurde dieser Bereich des Kaukasus oft von heftigen Kämpfen heimgesucht. Es wurden häufig kleine Gebets- und Gebrauchsteppiche nebeneinander hergestellt. In verlassenen Tälern überlebten verschiedene Mustertypen völlig unverändert. Das Zentrum des Gebiets liegt am Sewansee, wo sich Armenien, Karabagh und Kasak überschneiden. Während in Armenien mit der Hauptstadt Eriwan feine, flächige Teppiche gearbeitet wurden, werden in der Gegend von Chondsoresk und Tschelaberd neben feinen Erzeugnissen auch zottige Gebirgsteppiche hergestellt. Nach den Städten Chondsoresk und Tschelaberd wurden die sogenannten Wolkenband- und Adlerkasaks benannt. Im Süden verläuft die persisch-russische Grenze. Hier waren von alters her schon immer Machtbestrebungen beider Seiten von Bedeutung, so dass die jeweils herrschenden Einflüsse die Muster und damit den Ausdruck der Teppiche prägten. Nach Südwesten hin schließt sich die Türkei an, wo die Knüpfkunst ebenfalls seit alters her bekannt war. Dieses Gebiet war bei den vielen Völkerwanderungen Durchgangsort von Ost nach West und umgekehrt, so dass ursprüngliche Muster der verschiedenen ethnischen Gruppen heute noch vorhanden sind. Einflüsse der turkomanischen Völker sind im Kasak- und Karabagh-Gebiet im 19. Jahrhundert ebenso wie in der Osttürkei vorhanden. Im nach Osten hin abfallenden Gebirge liegt das Gendjegebiet. Hier sind wiederum Teppiche des städtischen Bereichs sowie der Dorfgemeinschaften bekannt. Während in diesem Gebiet stark geometrische Flächen vorherrschen, werden nach Osten hin im Gendjegebiet bereits die Flächen teilweise wesentlich stärker mit kleinen Motiven gemustert, so dass Muster entstanden, die die Flächen ausfüllen.
Ostkaukasus
Daghestan, Schirwan, Talisch und Moghangebiet
Ähnlich wie im Zentral- und Westkaukasus bilden sich auch hier in den Ausläufern des Gebirges zum Kaspischen Meer hin verschiedene Gruppierungen. Während der nördliche Bereich dicht geknüpfte und fein gegliederte Teppichmuster hervorbringt, erscheinen in der Moghansteppe und im Talischgebiet Muster, die von großen, geometrischen Flächen geprägt sind. Künstlerische Ausgangspunkte waren Städte wie Kuba, Baku, Chila und Lenkoran. Hier wurden meist die Muster entwickelt und auf die Landbezirke übertragen. Die Eigenständigkeit der einzelnen Gruppen wie Tschitschi, Konagkend, Bidjov, Marasali und Chajli dokumentiert sich in dem jeweiligen heimischen Muster. Der nördliche Bereich des Ostkaukasus erzeugt meist nur fein geknüpfte Teppiche, während im Süden in Moghan und Talisch wieder etwas hochflorigere und nicht so eng geknüpfte Stücke entstanden. Vom ostkaukasischen Raum sind nicht nur sehr feine Knüpfarbeiten, sondern auch sehr feine und ausgefallene Stickereien bekannt.
Die Teppiche der Provenienz Gendje besitzen zwei typische Merkmale, die durch die geografische Lage hervorgerufen werden. Im Süden schließt sich das Karabagh-Gebiet an, Kasak liegt westlich und Schirwan östlich. Bei dem abgebildeten Beispiel ist die Leuchtkraft der Farben und die flächige Einteilung der Motive ein Charakteristikum für den westlichen Nachbarn, das Kasak-Gebiet. Die Struktur, d.h. die Knüpfart und Dichte, ist mehr oder weniger dem Schirwan- Bereich entnommen. Auch die enge Musterung, gerade bei diesem Teppich, ist von Schirwan beeinflusst. Ein Merkmal für die Technik ist auch, dass als Schuss des Gendje Baumwolle vorkommt, was im Kasak-Gebiet außergewöhnlich selten ist. Ein beliebtes Muster ist bei den Gendje-Stücken das Miri-Boteh. Dies ist hier groß und geometrisch gestaltet; wie es im Kaukasus und bei nomadischen Völkern allgemein üblich ist, erscheint es auch hier in diagonaler Farbanordnung. Die Bordüre besteht aus Stufenpolygonen, die ebenfalls starkfarbig ausgelegt sind. Aus dem Gendje-Distrikt sind noch mehrere Arten bekannt. Starkflächige, mit großen Medaillons bemusterte Stücke erscheinen im 18. Jahrhundert. Von diesen sind jedoch nur wenige Exemplare, teilweise als Fragmente, bekannt. Ein Gitter- oder Wabenmuster, ähnlich demjenigen der Daghestans, jedoch wesentlich größer gezeichnet und mit groberer Kasak-Struktur, kann ebenfalls vorkommen. Eine weitere Art entwickelt sich aus den diagonalen Boteh-Mustern; die einzelnen Botehs werden durch Diagonalstreifen ersetzt. Sie enthalten meist eine kleine, stilisierte, dreiarmige Blüte. Die verschiedenen Streifen sind meist in bunten Farben wie Rot, Beige, Blau und Gelb ausgefärbt. Je nachdem, ob der Teppich westlich oder östlich hergestellt wurde, ist seine Struktur und damit auch die Streifung feiner oder grober.
Die meisten Teppiche der Moghan-Gruppe besitzen einen beigen Grund. Dies ist eine Eigenart, da bei der Mehrzahl der kaukasischen Teppiche rote und blaue Grundfarben bevorzugt werden. Nicht nur bei den etwas feiner gearbeiteten, sondern auch bei den rustikaleren Stücken ist Beige als Grundfarbe vorherrschend. Wir unterscheiden generell zwei Arten: einmal den vom nördlichen Schirwan-Gebiet beeinflussten, etwas feineren Typ, und zum anderen den Nomadenteppich, der aus dem mittleren und südlichen Bereich der Moghan-Steppe stammt. Die Moghan-Steppe selbst schließt im Süden an Persien an, im Osten ans Talisch-Gebiet, im Westen an Karabagh und im Norden an Schirwan, wo der Fluss Kora eine natürliche Grenze bildet. Die geographische Lage macht deutlich, dass eine starke Verbindung zu den turkmenischen Völkern bestand. Dies ist an der Flächenwirkung der Muster deutlich zu erkennen: betrachtet man die stets gleiche Form der einzelnen gleich gereihten Motive, so erinnert man sich hier doch deutlich an eine Gül-Form. Ihre Außenumrahmung hat eine stufenpolygonale Form, deren Flächen meist in den bunten Farben der jeweiligen Teppiche erscheinen. Sie sind gefüllt mit einem aus vier Dreiecken entstehenden Rhombus, an den an jeder Ecke das Symbol des Widderhorns angebracht ist. Das Gesamtmotiv kann als frühes Totem der südkaukasischen Steppenwelt angesehen werden. Die Hakenform setzt sich in den einzelnen Stufen des Polygons fort und bringt ein weiteres dekoratives Moment. In dem Verlauf des Musters erkennt man ein Zwischengül, das im gleichen Aufbau des Hauptmotivs dargestellt ist. Es ähnelt in seiner Form sehr stark einem jomudischen Göl, ist jedoch im Gegensatz zu den turkmenischen Teppichen buntfarbig gestaltet. Das Bordürensystem enthält bei dem im nördlichen Bereich entstandenen Stück ein Muster, das auch in turkmenischen sowie türkischen Knüpfteppichen vorkommt. Ob dieses Motiv von den Kartuschen der türkischen Teppiche des 17. Jahrhunderts abgeleitet wurde, bleibt offen. Es ist jedoch anzunehmen, da die Moghan-Steppe genau in der Mitte des Weges zwischen der Türkei und der Turkmenensteppe liegt.
In der Struktur sind die Surahani-Teppiche den Baku-Teppichen gleich. Markant, wie bereits erwähnt, ist ihr dichter Flor und die geschichtete Knüpfstruktur. Die Eigenart der Surahanis besteht in ihrer Farbgebung; sie enthalten in ihren Mustern ruhige, harmonische und sanfte Töne, die zwischen Gelb, Blau und Grün in sehr geringen Farbnuancen variieren. Die Surahani-Stickerei, die nachstehend im Textteil abgebildet ist, zeigt ähnliche Farbkombinationen, wobei auch auffallend ist, dass eine gewisse Wiederholung der Hauptmotive bei beiden Stücken vorkommt.
Zu den feinsten Knüpferzeugnissen des Kaukasus gehören wohl die Teppiche aus Daghestan und Marasali. Die Knüpfung ist gerade bei diesem Stück außergewöhnlich fein und im Griff sowie in der Florhöhe einem zentralpersischen Senneh vergleichbar. Seide wird bei kaukasischen Teppichen äußerst selten verwendet. Einige Beispiele aus dem Kasakgebiet sind bekannt, allerdings in wesentlich groberer Verarbeitung. Die Unterscheidung der Daghestanteppiche von den im Muster fast identischen Stücken aus Marasali, besteht lediglich in dem Vogelkopfornament in der Bordüre oder im Gebetsgiebel der Marasalis. Die Musterung bei den Daghestans ist meist wabenförmig auf rotem, blauem, gelbem oder beigem Grund. In die Waben werden Blüten oder Stauden in einfacher oder geometrischer Gestaltung buntfarbig gelegt. Beliebt ist die Darstellung eines Gebetsteppichs, in der die einfache Form der oberen Giebelumrandung angedeutet wird. Teppiche mit durchgehendem Wabenrapport können auch als Gebetsteppiche verwendet worden sein; der Verwendungszweck war also nicht unbedingt an die Zeichnung des Teppichs gebunden. Die Umrahmung bildet die blaugrundige Hauptbordüre mit den verschlungenen S-Motiven, ein Muster, das zusammen mit Nebenbordüren, die mit kleinen Blütenformen gefüllt sind, vorkommt.
Im südlichen Schirwangebiet entstehen äußerst fein geknüpfte Teppiche, die einen dichten und kurzen Flor sowie ein sehr typisches Muster aufweisen. Das Wollmaterial ist, wie in dieser Gegend üblich, fein und glatt in der Struktur, so dass ein kurzer, dichter Flor entstehen kann. Wie bei den drei nachstehenden Teppichen zu beobachten ist, wird für die Bordürenornamentik immer eine gleiche Grundfigur zur Ausschmückung verwendet. Man kann aus diesem Muster eine sitzende Vogeldarstellung erkennen. Die Mehrzahl der Marasali wurden als Gebetsteppiche gearbeitet. Sie enthalten ein typisches Muster des nördlichen Daghestan-Gebietes, ein Wabensystem mit stilisierten Bäumen und Blüten. Die Grundfarben können Beige, Gelb, Blau und Rot sein. Für das Innenfeldmuster kann auch ein Miri-Boteh vorkommen.
Gegen Osten zum Kaspischen Meer hin fällt das Gebirge des Kaukasus ab und geht in die Ebene von Schirwan über. An den fruchtbaren Stellen des Randgebirges entstanden städtische Bezirke, zu denen auch die kleine Stadt Bidjov zählt. Während Gebirgs- und Dorfteppiche meist nur in kleinen Formaten hergestellt werden konnten, ergab sich in den städtischen Bereichen, vor allem im 19. Jahrhundert, die Möglichkeit, großformatige Teppiche herzustellen. Sie bildeten jedoch auch hier eine Seltenheit, da die Musteranlagen auch meist nur für kleinere Teppiche geeignet waren.
Im Kubadistrikt gibt es verhältnismäßig viele eigenständige Muster, die dadurch einem bestimmten Bereich innerhalb des Kubagebietes zugeordnet werden können. Hierzu gehört der sogenannte Perepedil, dessen Grundmuster noch bis weit ins 19. Jahrhundert beibehalten wurde. Die Grundfärbungen beim Perepedil erscheinen meist in Dunkelblau, seltener in Beige. Die rote Grundfarbe kommt vereinzelt um die Jahrhundertwende vor. Wie alle Kubas besitzen auch die Perepedils ein dichtes, geschlossenes Vlies, das meist durch gutes Wollmaterial und eine dichte Knüpfung erzielt wurde. Die Farben sind häufig leuchtend und klar und verleihen dem eigenwilligen Muster einen sehr schönen Gesamtausdruck. Die Muster müssen von frühen Totems der kaukasischen Völker herrühren und werden für eine lange Zeit unbeeinflusst von der Außenwelt verwendet. Während sich manchmal die Bordürenornamentik ändert, bleibt das Muster des Innenfeldes stets in den Formen gleich.
Die Chajli-Teppiche gehören zur Gruppe der Schirwans und sind in ihrer Knüpfstruktur und vom Material her diesen Teppichen gleich. Dies trifft jedoch ausschließlich für die antiken Stücke zu. Sie kommen in den Grundfarben Rot und Dunkelblau vor, während eine hellblaue Grundfärbung, äußerst selten ist. Zu dieser Zeit wurde im Kaukasus eine hohe Färbkunst gepflegt. Hier sei darauf hingewiesen, dass die Leuchtkraft der Farbe auf der gesamten Faser des Florwollbüschels vorhanden sein muss. Stellt man bei einem Teppich beim Aufklappen des Flores fest, dass die Hauptfarben an der Oberfläche graue Spitzen aufweisen und die Farbe zum Untergewebe hin intensiver und kräftiger wird, so muss angenommen werden, dass es sich nicht mehr um Naturfarben handelt. Eine Ausnahme kann bei einer Mischfarbe, wie z.B. Grün, auftreten, wo sich eine geringfügige Veränderung zu Gelb oder Blau hin ergeben kann. Naturfarben sind gegenüber den anfänglich schlechten Anilinfarben, die teilweise durch Sonneneinstrahlung an der Oberfläche ausbleichen, farbbeständig. Eine Vergrauung der Farboberfläche kann auch durch einen chemischen Eingriff hervorgerufen werden, vor allem, wenn Anilinfarben des 20. Jahrhunderts mit Chemikalien behandelt werden, so dass die unharmonische Leuchtkraft der Farben gemildert wird. Man erkennt diese sogenannte chemische Wäsche an den noch vorhandenen Restfarbstoffen im unteren Bereich des Knotens. Die Chajlis sind in ihren Mustern fast immer gleich. Sie enthalten drei oder mehr oktogonale Quadrate: die Bordüren können sich ändern. Bei den frühen, bedeutenden Stücken bestehen sie meist aus buntfarbenen Oktogonblüten, die Nebenborten sind mit ca. vier Zentimeter großen S-Formen ausgestattet. Ein doppelt verschlungenes S kann auch bei den Stücken aus der Zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts auftreten.
Südlich des Sewan-Sees, im nördlichen Bezirk des Karabagh-Distriktes, entstand in der Nähe der Stadt Channik die Gruppe der sogenannten Chan-Karabaghs. Sie zeichnet sich durch ihre feine Arbeit und durch besonders gutes, meist hochfloriges Wollmaterial aus, das besonders widerstandsfähig und glanzreich ist.
In guter Tradition wurde diese Teppichgruppe im Kubagebiet seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts hergestellt. Durch die Unruhen, verbunden mit der russischen Revolution, wurde die Produktion teilweise unterbrochen, wie es im gesamten Kaukasus geschah, und erst wieder in den dreißiger Jahren unter sowjetischem Einfluss, bedingt durch die moderne Technisierung, verfälscht fortgesetzt. Gerade die Blütenschirwans besitzen ein Muster, das in den Karagashli-Teppichen des nördlichen Kuba-Gebietes vorkommt, und zwar die Karagashli-Blüte. Es ist interessant, daß bei der Reihung im durchgehenden Rapport diese ornamental gleichbleibenden und diagonal angeordneten Blüten durch ihre Ausfärbung den bunten Charakter dieser Teppiche bestimmen. Blüten-Schirwan aus dem 18. Jahrhundert hatten eine einfache Bordürenzeichnung. Die Ausschmückung mit Nelken und reziproken Zinnen ist nach 1800 erfolgt.
Ebenso wie die Perepedils bilden die sogenannten Blattgabelschirwans eine separate Gruppe im Kubagebiet. Im eigentlichen Sinne müssten diese Teppiche als Blattgabelkuba bezeichnet werden. Sie erhielten jedoch sicherlich ihren Namen in Europa, wo man noch lange Zeit nach der Jahrhundertwende die Kubagruppe nicht gesondert unterschied, sondern sie zusammen mit den Erzeugnissen des gesamten Ostkaukasus als Schirwans bezeichnete. Einen ähnlichen Fall stellen die Teppiche dar, die als Adler- und Wolkenbandkasak bezeichnet werden, jedoch in Karabagh geknüpft wurden. Die Blattgabelteppiche erhielten ihren Namen durch die auf diesem Teppich deutlich hervortretenden weißen Ornamente. Ob diese jedoch wirklich noch Blattgabeln darstellen, kann nicht mit letzter Sicherheit behauptet werden. Sicherlich geht dieses Motiv auf die frühen Kuba-Teppiche zurück. Hier entwickeln sich die Blattgabeln direkt aus einer Blüte und werden ins Muster integriert. Während die Rosettblütenformen mit dem achtzackigen Stern im Mittelfeld bei allen Kubateppichen gleichbleiben, erscheint im 19. Jahrhundert eine starke Geometrisierung der Formen. Die Verbindung zur eigentlichen Pflanze entfällt, so daß hier nicht mehr von Blattgabeln gesprochen werden kann.