Die künstlerische Entwicklung orientalischer Teppiche hängt stark von der sie umgebenden Natur ab. Die Umwelt eines jeden einzelnen Künstlers beeinflusst Material, Muster sowie Farbgebung der Teppiche. Hieraus erklärt sich, dass ein Hochgebirgsteppich aus dem Kaukasus wesentlich rustikaler in seiner Form, Gestaltung und Material ist, als sich beispielsweise ein Teppich aus einer zentralpersischen Stadt präsentiert. In einer künstlerisch hochstehenden Gemeinde nützt der Knüpfer die Erfahrungen und die hoch entwickelte Kultur, in der er selbst lebt aus, um ein sehr feines und gutes Endprodukt herzustellen. Von großer Bedeutung sind die Erfahrungen der Färber, die die Töne und Nuancierungen bestimmen.
Gerade hier spielt die umgebende Natur eine große Rolle, da aus ihr die vorhandenen Materialien für die Färbung gewonnen werden müssen. Muster und Symbolik wurden im Laufe eines lange andauernden Entwicklungsprozesses von älteren Teppichen her abgeleitet. Die Gefühle eines jeden einzelnen produktiven Künstlers aus einem Volk mit hoher Vorstellungskratt und dichterischem Temperament spiegeln sich ebenfalls in den Mustern, der Symbolik und den Farben wieder, besonders in den hoch kultivierten Stadtgebieten. Die Qualität eines jeden Teppichs hängt von dem in seiner Umgebung gewonnenen Material ab. Hierbei spielen das Klima und die strukturelle Beschaffenheit eine Rolle. Es lassen sich die verschiedenen künstlerischen Merkmale von Teppichen wesentlich besser verstehen, wenn man um die geographischen und natürlichen Gegebenheiten des Entstehungslandes weiß.
Die wichtigsten orientalischen Länder, die bis in die Neuzeit Teppiche herstellen, sind von Westen nach Osten hingesehen: Türkei, Russland, Persien, Afghanistan, Indien und China. Griechenland produzierte (zu bestimmten Zeiten ebenfalls Teppiche) vor allem aber Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts die bekannten Sparta-Teppiche.
Durch die Einflüsse der ostturkomanischen Volksstämme, die als Seldschuken im 13. und 14. Jahrhundert die Türkei unterwarfen, entwickelte sich die Knüpfkunst in diesem Lande sehr stark. Der weiter südlich gelegene Teil Syriens bis nach Ägypten hat im Mittelalter eine gewisse Bedeutung durch die Mameluken- und Kairo-Teppiche erhalten. Anfang unseres Jahrhunderts wurde ein orientalischer Knüpfteppich bei uns als „Perser" bezeichnet. Dieser Sprachgebrauch deutet auf die Bedeutung Persiens in Verbindung mit seiner Teppichknüpfkunst hin.
Da vor dem ersten Weltkrieg große Teile des kaukasischen Raumes, sowie Afghanistans und auch Teile der Turkmenensteppe noch zu Persien gehörten, machte man damals keinen Unterschied zwischen einem kaukasischen, persischen, afghanischen oder turkmenischen Teppich. Durch verschiedene wissenschaftliche Arbeiten begann Anfang dieses Jahrhunderts eine Auswahl der einzelnen Stücke nach ihrer Herkunft. Gerade in unserer Zeit werden durch große Kreise von Sammlern und Wissenschaftlern die verschiedenen Ursprungsgebiete erforscht. Als rare Nomadenstücke gelten die Teppiche des südrussischen - kaukasischen Raumes und des sich anschließenden Turkmenengebietes. Die Teppiche aus den Hochgebirgszügen und den Tälern des Kaukasus mit ihren zottigen und fleischigen Wollvliesen, mit ihren geometrischen, naiven und leuchtenden Farbflächen sind begehrte Stücke, besonders für junge Sammler. In moderne Räume passen diese Teppiche durch ihre geometrische Ornamentierung außergewöhnlich gut. Nach Osten hin beginnen über dem Kaspischen Meer die weiten Steppen des südrussischen Turkmenen-Gebietes. An seiner Südflanke grenzt es an das heutige Afghanistan.
Die Grenze bildet der Fluss Oxus oder auch Amu Darja genannt. Aus 12 verschiedenen Stämmen setzen sich die Turkmenen zusammen. Sie zeigen seit Jahrhunderten eine Einheitlichkeit in ihren Mustern und ihren Grundfärbungen. In fast allen Teppichen ornamentieren sie ihr Stammesgül (eine stilisierte Blume als Hauptmotiv, meist in durchgehendem Rapport). Als Farbgrundlage für das Muster dienen oft ein Dunkelbraunrot oder Rottöne im Allgemeinen. Die Jomuden im westlichen Teil arbeiten ihr Kepse- oder Kamm- Gül ebenso auf braunroten Grund wie die im Osten lebenden Beschiren, nur in etwas helleren Tönen. Die Hochebene des Tarim-Beckens bildet den Mittelpunkt des ostturkestanischen Knüpfgebietes mit den Hauptprovenienzen Kashgar und Khotan. Dieses Gebiet war die Heimat für Teile der Urbevölkerung des kaukasischen und türkischen Volkes. Die hohen Gebirgszüge des Himalayas und des Pamir begrenzen die Region, die oft in den Jahr- hunderten Ausgangsort religiöser Machtkämpfe zwischen Mohammedanern und Buddhisten war. Von Ostturkestan aus ging während der Streifzüge des Dschingis Khan die Kunst des Knüpfens bis weit nach dem Osten Chinas.
Da alle Länder aneinandergrenzen, können sie auch als eine geographische Einheit betrachtet werden. Wenn sich im Einzelnen auch viele Unterschiede ergeben, so haben sie doch auch viel Gemeinsames. Etwa von der Westgrenze Kleinasiens an erstreckt sich ein ausgedehntes Plateau, das nach Osten hin immer höher wird, bis nach Zentralasien hinein. Seine durchschnittliche Höhe liegt in Kleinasien zwischen 600 und 900 Metern und hinter den Zargos-Bergen und der nördlichen Hälfte Persiens steigt es auf 1.200 bis 1.700 Meter an. Es läuft weiter ostwärts über Afghanistan durch Süd- und Ostturkestan, wo es eine Höhe von 4.000 Meter erreicht. Von hier geht es in die Wüste Gobi über und je weiter es sich in diese hineinstreckt, desto mehr fällt es ab und endet in den Steppengebieten Chinas. Vom Westteil dieses Plateau zieht sich ein Ausläufer nordwärts zwischen dem Schwarzen und Kaspischen Meer, der die Berge des Kaukasus bildet, die eine mittlere Höhe von etwas mehr als 2.000 Meter aufweisen.
Die topographischen Merkmale der Hochebene zeichnen sich durch große Strecken verhältnismäßig ebenen Landes aus, dessen Höhe mehr als 1.000 Meter beträgt. Aus diesen breiten Hochebenen, die wiederum meist von Gebirgszügen umgeben sind, können die Flüsse nicht zum Meer abfließen, so dass sie in den sandigen Wüstengebieten versiegen. Quer durch die Hochebenen verlaufen Gebirgskämme, auf deren Gipfel – selbst im Sommer - noch ewiger Schnee liegt. In den Wüsten und großen Teilen der Hochebene hingegen fällt nur wenig Regen. Hierdurch gibt es auch nur eine geringe Anzahl von Flussläufen, die meist nur aus dem ewigen Schnee der Hochgebirge ihr so fruchtbares Wasser erhalten. Die kultivierten und bebauten Teile dieser weiten Hochebenen sind verhältnismäßig klein und bestehen meist aus Landstreifen der fruchtbaren Täler, die von Strömen durchflossen werden. Sie stellen meist oasenartige Gärten dar. Seit Urzeiten sind diese Ströme zur Bewässerung eingesetzt. Die Bewohner dieser Gebiete erfreuen sich reicher Ernten. In den wasserarmen Steppen dient lediglich die Schafzucht der Erhaltung des täglichen Lebens. Die wichtigsten Städte und Zentren der Kultur und Religion entstanden meist in den fruchtbaren Tälern. Ihre Einwohner waren religiös, sie liebten Poesie und Kunst. Ihre Handwerker und Künstler waren weithin bekannt. Durch die Förderung der jeweiligen Herrscher entstanden feine und schöne Kunstwerke.
Der ständige Kampf um die Existenz und der Zwang von Ort zu Ort zu wandern, prägen den Charakter der nomadisierenden Menschen. Der glühende Wüstensand und die unbarmherzig brennende Sonne, die endlosen Landstrecken und die klaren Nächte mit ihrem sternenübersäten Himmel machen diese Menschen gastfreundlich, nachdenklich und gottergeben. Der Kampf um das Dasein hat sie auch oft auf der anderen Seite gesetzlos und grausam gemacht. Diese Eigenschaften spiegeln sich in den Mustern und der Symbolik ihrer Knüpferzeugnisse wieder. Der Gottergebenheit ist es zu verdanken, dass stets die besten Materialien verwendet wurden, da die Gebetsteppiche dem religiösen Kult dienten. Zur Ausschmückung ihrer eigenen häuslichen Jurten entstandenen farbenprächtige Gewebe.
Diese Gewebe waren nicht nur Schmuck, sondern zugleich auch wärmende Decke. Die Nomadenteppiche unterscheiden sich meist in ihrer Lappig- und Deckenartigkeit von den hochkultivierten Manufakturteppichen der Städte. Die Knüpfer dieser Völker haben es auch vorzüglich verstanden, die Natur mit allen Schönheiten in ihren Teppichen einzufangen. Die leuchtenden Farben sollten den Garten in der Wohnung ersetzen. Deshalb findet man auch in den meisten Stücken geometrisch angelegte Blumen und Blütenmotive sowie Tiere und Sterne. Die Muster wurden meist mit stark leuchtenden und freundlichen Farben ausgefüllt, die aus, Mineralien, Wurzeln, Pflanzen und Tieren gewonnen wurden.
Quelle: Antike Meisterstücke Orientalischer Knüpfkunst, Jubiläumsausgabe 1975, Peter Bausback, Mannheim 1975