Farben
Eines verbindet die Kunst aller Jahrhunderte: die Farben. Ohne sie wären wir beispielsweise um die Schönheit der glänzenden Keramikfliesen Persiens, der leuchtenden Textilien und der meisten Bilder quer durch die Epochen ärmer. Ohne ausdrucksstarke Farbtöne, abgestuft in viele Hunderte von Nuancen, gäbe es viele Bereiche der Kunst nicht.
Was ist nun eigentlich Farbe, wie wird sie vom Betrachter überhaupt empfunden? Hierzu ist es notwendig, etwas über das Licht in der Natur und die damit verbundene Farbwirkung zu sagen. Das von der Sonne ausgestrahlte weiße Licht lässt sich durch ein Prisma in einzelne Farben, die sogenannten Spektralfarben (Regenbogenfarben), zerlegen. Diese reichen von Rot über Orange, Gelb, Grün, Blau bis zum Violett. Jede Farbe besitzt eine bestimmte Wellenlänge. Die Mischung aller Spektralfarben ergibt wiederum Weiß. Wenn ein Körper die gesamte auf ihn treffende Lichtstrahlung reflektiert, empfindet man ihn als weiß. Reflektiert er nichts, sondern absorbiert er die gesamte Strahlung, erscheint er als schwarz. Als farbig erscheint ein Körper, wenn er einen Teil des auf ihn fallenden Lichtes reflektiert, den Rest aber absorbiert. Wird beispielsweise der im Rotbereich liegende Strahlungsteil widergespiegelt, die Reststrahlung absorbiert, so empfindet man den Körper als rot. Dabei sind sämtliche Nuancen und Übergänge möglich. Hierdurch entstehen je nach Reflexionsvermögen hunderte von verschiedenen Farbtönen. Es genügt nicht, einzelne Farbtöne auf Materialien aufzubringen; das Material gegen Licht und Wasser widerstandsfähig zu machen, stellt vielmehr die schwierigste Aufgabe für den Färber dar. Die Farbe soll bei starker Lichteinwirkung weder ausbleichen noch sich im Ton ändern. Ferner darf der Farbstoff durch Behandlung mit Wasser (Waschen) auch nicht andeutungsweise von der Faser entfernt werden können. Um eine hinreichende Nassfestigkeit zu erzielen, ist es notwendig, die Färbemethode auf bestimmte Eigenschaften des Farbstoffes und der Faser abzustimmen.
Für Teppiche kommt als Fasermaterial vorwiegend Wolle in Frage, daneben auch Seide. Wolle und Seide sind tierischer Herkunft. Sie bestehen aus Eiweißkörpern und verhalten sich färbetechnisch gleich. Die einfachste Färbemethode ist das Eintauchen des entfetteten Fasermaterials in eine kalte oder heiße wässrige Farbstofflösung. Es gibt verschiedene Farbstoffe, die hierbei auf die Faser aufziehen und mit ihr eine unlösliche, wasserfeste Verbindung eingehen. Man nennt solche Farbstoffe ,,direkt ziehende Farbstoffe“. Verschiedentlich bedarf es noch einer Nachbehandlung mit Chlorkalk.
Es ist aber auch möglich, die Fasern durch eine bestimmte Vorbehandlung, das sogenannte Beizen, auch für andere Farbstoffe empfänglich zu machen. Man unterscheidet Metall- und saure Beizen. Für erstere tränkt man das Garn mit der Lösung bestimmter Metallsalze, vorwiegend Alaun (Kalium – Aluminium - Sulfat). Alaun verwendeten bereits die frühen Ägypter. Es findet sich in der Natur als Ausblühung auf Alaunschiefer und in vulkanischen Gebieten auf Lava als Federalaun. Auch Aluminiumazetat, Eisen-, Chrom- und Zinn-Salze eignen sich als Beize. In den verschiedenen großen Knüpfgebieten wurde je nach Beschaffenheit der einzelnen Materialien die Beizung vorgenommen. Das mit der Beize getränkte Garn wird gedämpft, wobei eine hydrolytische Spaltung des Metallsalzes eintritt. Die dabei entstehenden basischen Salze fixieren sich fest auf der Faser. Bringt man dieses Garn in Lösungen solcher Farbstoffe, die mit den Metallsalzen Komplexverbindungen bilden können, so entstehen Farblacke. Aufgrund der Komplexverbindung und der Fixierung an die Faser wird eine haltbare Färbung erzielt. Eine besonders wichtige Färbemethode stellt die sogenannte Küpenfärberei dar. Sie beschränkt sich auf Farbstoffe, die unlöslich sind und daher nicht aus einer Lösung auf die Faser aufgebracht werden können, aber durch Reduktion (Wasserstoffanlagerung) in eine meist anders gefärbte oder farblose wasserlösliche Form überführt (verküpt) werden können. Wird das Garn in diese Lösung (Küpe) getaucht und dann an der Luft zum Trocknen aufgehängt, so bildet sich durch Oxydation (Sauerstoffaufnahme) der ursprüngliche Farbstoff wieder zurück und liefert außerordentlich echte Färbungen. Die Wahl des Reduktionsmittels richtet sich nach der Art des Farbstoffes und des zu färbenden Garns. Meist wird Natriumhydrosulfat verwendet, aber auch Zinkstaub, bestimmte Zinnsalze und reduzierende Zucker (Honig) finden Verwendung. Der bekannteste und wichtigste Farbstoff dieser Klasse ist Indigo. Hier wurde in frühen Jahrhunderten die Reduktion durch eine Gärküpe bewirkt. Der Produktionsprozess erfolgte durch Bakterien, die beispielsweise im Waid*, in der Kleie und auch in der Krappwurzel leben.
Sobald sich der Mensch der Farbigkeit der ihn umgebenden Natur bewusst wurde, wird er wohl versucht haben, Farbe in seine ihn umgebende Behausung zu bringen. Zu den eindrucksvollsten Zeugen farbiger Gestaltung gehören die Höhlenmalereien von Altamira in Spanien, deren Entstehungszeit vor ca. 40000 Jahren angenommen wird. Gelber und roter Ocker, Kreide und Holzkohle dienten als Farben. In der jüngeren Steinzeit waren Buntfarben für die Töpferei bekannt. Blaue eisenhaltige und rote kupferhaltige Mineralfarben finden wir bereits auf griechischen Vasen aus der Zeit um 2000 vor Christus. Frühzeitig mag der Mensch auch angeregt worden sein, seine aus Wolle, Baumwolle oder Leinen selbst hergestellte Bekleidung bunt zu färben, vielleicht inspiriert durch die Buntheit der Felle, mit denen er sich früher bedeckte. Und bald wird er auch erkannt haben, daß sich dafür die Erdfarben, die sich gut für Stein, Holz und Keramik eigneten, nicht verwenden ließen.
Zum Färben von Textilien sind Farbstoffe erforderlich, die sich in gelöster Form auf die Faser aufbringen lassen, während zum Bemalen von festen Materialien Pigmente - also kleine, unlösliche, gefärbte Teilchen -, fein verteilt in einem Bindemittel, verwendet werden, die durch ihre Undurchsichtigkeit den übermalten Untergrund abdecken. Für die ersten Färbeversuche wurden Pflanzen- und Tierextrakte besorgt. Aufgrund alter Aufzeichnungen und ausgegrabener Bildwerke kommt man zu dem Schluss, daß das Färben vom Anbeginn aller Kulturüberlieferung ausgeübt wurde, wenn auch gefärbte Gewebe aus den ersten Epochen nicht mehr vorhanden sind. Am wichtigsten für das Färben sind die drei Grundfarben Rot, Blau und Gelb. Diese können im Gegensatz zu allen anderen Farbtönungen nicht durch Mischen anderer Farben erzeugt werden. Mit drei bis fünf natürlichen Farbstoffen begann die Geschichte der Färberei. Bis zu den ersten künstlichen Farbstoffen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts war die Zahl der natürlichen Produkte auf 30 beschränkt. Die ersten Farbstoffe für die drei Grundfarben waren für Rot: Purpur, Krapp und Kermes. Für Blau: Waid und Indigo. Für Gelb: Saflor und Safran. Die Ägypter beherrschten schon vor über 4000 Jahren die Kunst der Indigofärberei durch Verküpung. Die Phönizier färbten mit Purpur, während Binden von ägyptischen Mumien aus der 12. Dynastie (ca. 2500 v.Chr.) bereits mit Safran gefärbt waren.
Doch nun zu den wesentlichsten Naturfärbstoffen: PURPUR: Schon Herodot (5. Jahrhundert v.Chr.) berichtete, dass unter den Farbstoffen Purpur der kostbarste sei. Entdeckt wurde das Kleinod ca. 1600 v.Chr. in Kreta. Im großen Stil produzierten ihn die Phönizier, die in der Gegend des heutigen Libanon beheimatet waren. Von hier aus fand er weite Verbreitung. Der Farbstoff wird aus den Drüsen in der Kieferhöhle einiger Schneckenarten, insbesondere der Murex brandaris und der Murex trunculus, gewonnen. Das aus den Drüsen isolierbare Sekret geht durch Spaltung und Oxydation über Grün in ein stumpfes, bläuliches Violettrot über. Um für die Analyse1,4 Gramm reinen Farbstoff zu gewinnen, mussten 12000 Schnecken verarbeitet werden. Purpur war der teuerste Farbstoff, der je hergestellt wurde, und fand daher hauptsächlich für die Gewänder hochgestellter Würdenträger Verwendung. Die ,„purpurnen Gewänder“ des Mittelalters waren nicht mehr mit Schneckenpurpur, sondern mit Krapp gefärbt. In Teppichen selbst ist Purpur als Farbe nicht festgestellt worden.
KERMES: Dieser Farbstoff wird aus den getrockneten Weibchen einer Schildlausgattung (Coccus ilicis) hergestellt. Sie siedeln auf der im Orient verbreiteten Stech- oder auch Kermeseiche. Schon als Larven saugen sie sich an den Blättern und Zweigen und vor allem an der Rinde des Baumes fest, bleiben dort unbeweglich und wachsen bis zur Erbsengröße. Sie wurden deshalb ursprünglich für Beeren gehalten. Mit Alaunbeize entstehen blaustichige Rottöne, mit Zinnbeizen ein mehr gelbstichiges Rot. Kermes hat den Purpur ganz abgelöst. In Verbindung mit Teppichen breitete sich Kermes vor allem im 17. und 18. Jahrhundert in der Türkei und dem kaukasischen Raum aus (Karabaghrot).
COCHENILLE: Ähnlich dem Kermes wird auch dieser Farbstoff aus einer Schildlausart (Coccus cacti) gewonnen. Diese Gattung siedelt auf Kakteen, vorwiegend auf dem Blatt- oder Feigenkaktus. Ursprünglich in Mexiko beheimatet, wurde die Cochenille-Laus samt ihrer Wirtspflanze nach der Eroberung Mexikos in Europa eingeführt. Große Plantagen befinden sich heute noch auf den Kanarischen Inseln, teilweise auch auf dem spanischen Festland sowie insbesondere auf der Insel Lanzarote, wo riesige Plantagen ihre Produktion heute noch aufrechterhalten. Im Mittelmeerraum sowie im Mittleren und Nahen Osten ist eine Abart dieser Gattung auf Eichenlaubblättern gezüchtet worden. Färberisch zur Wirkung kommt die Karminsäure. Die Nuance präsentiert sich reiner als bei Kermes. Über Alaun- und Zinnbeize entsteht auf Wolle und Seide ein blau- bis gelbstichiges Rot. Bei vielen antiken türkischen Gebetsteppichen, vorwiegend in Ghiordes, kann man schöne, leuchtende, violettstichige Rotfärbungen feststellen, die mit Cochenille bzw. Kermes erreicht wurden.
KRAPP: Der wohl mit Abstand wichtigste Rotfarbstoff ist in der Wurzel der vorwiegend in Kleinasien und am Kaukasus heimischen Krapp-Pflanze (Rubia tinctorum) enthalten. Der wirksame Bestandteil zum Färben ist das Alizarin. Der Name rührt von der levantinischen Bezeichnung der Krapp-Pflanze, Alizari, her. Als ausgesprochener Beizenfarbstoff liefert Krapp nur mit Metallsalzen intensive und sehr echte Farben. Mit Eisenbeize erhält man violettstichige, mit Chrombeizen braunrote, mit Zinnsalzen mehr orangenfarbigere Töne. Nur Alaunbeize liefert ein sattes, tiefes Rot. Das schönste Rot von besonderer Leuchtkraft und enormer Dauerhaftigkeit färbten die Türken, daher auch der Name Türkischrot. Die Türkischrot-Färberei war allerdings äußerst kompliziert und langwierig. In einem alten Färbebuch heißt es: „eine gute Beize vor dem Türkischrotfärben besteht aus mindestens zehn Operationen". Lange Zeit waren fast alle mit Krapp färbenden Länder von zwei Alaungruben in der Türkei abhängig. 1871 kam das erste synthetische Alizarin auf den Markt, das färberisch von dem natürlichen Alizarin in der Krappwurzel nicht zu unterscheiden ist. Weitere Lieferanten für Rotfarbstoffe, jedoch nur untergeordneter Bedeutung, stellten die Blüten des Granatapfelbaumes mit ihrem hochroten Farbstoff dar, ferner die rote Ochsenzunge (Alcanna tinctoria), aus deren Wurzelrinde ein dunkelroter Farbstoff gewonnen wurde. Er diente verschiedentlich als Ersatz für Purpur und Kermes. Für helle, violettrote Töne wurde auch ein Extrakt aus Malvenblüten verwendet. Dies war das Mauvein des Altertums. Es war übrigens der erste, künstlich hergestellte Farbstoff, der von Wh. Perkin entdeckt wurde.
BLAU: Der für Blau wichtigste Naturfarbstoff ist Indigo, zugleich einer der ältesten Farbstoffe der Menschheit. Sein Grundkörper, das Indikan, stammt aus verschiedenen Pflanzen. Zur Gewinnung des Indigo diente der Färber-Waid (Isatis tinctoria); im Orient hingegen die Indigo-Pflanze (Indigofera tinctoria), die etwa die dreifache Menge Farbstoff liefert. Im Gegensatz zu Krapp ist Indigo ein ausgesprochener Küpenfarbstoff. Die im Wasser eingeweichten Blätter werden einem Gärungsprozess unterzogen, bei dem aus dem Indikan das Indoxyl (Indigoweiß) entsteht. Dieses bildet die farblose Vorstufe des Indigo. Die aus der Küpe kommenden Garne erscheinen zunächst noch ungefärbt. Sie werden an der Luft zum Trocknen aufgehängt, wobei durch Luftsauerstoffaufnahme (Oxydation) das Indoxyl in den blaugefärbten, lichtbeständigen und unlöslichen Indigo übergeht. Je nach der Methode des Färbens und der Wiederholung des Färbevorgangs können hellblaue bis tiefdunkelblaue Tönungen erzeugt werden. Gemischt mit Gelb oder Rot ergeben sich grüne bis purpurähnliche Farben.
Ein altes Rezept eines Färbers aus Täbris, das erhalten blieb, lautet : Ein feines Indigoblau: Indigo 12 Stunden lang in Wasser weichen lassen, in einem Mörser zu einer feinen Paste zerstoßen, etwas Therminalia zitrina, Granatapfelschale und Alaun hinzugeben und gut mischen. Aufkochen, das Wasser in das heiße Bad geben und umrühren, bis es kalt ist. Jetzt etwas Eisenfeilspan-Wasser zumischen und zweieinhalb oder drei Stunden ununterbrochen kochen. Dann unter Klopfen waschen und trocknen.
GELB: Für das Gelb gibt es keinen, dem Krapp oder Indigo an Wichtigkeit nahekommenden Naturfarbstoff. Der kostbarste Gelbfarbstoff, Safran, wurde aus den Blütennarben einer Krokusart (Crocus sativus) gewonnen. Für ein Kilogramm Safran brauchte man etwa 20000 Blüten (Safran dient zugleich auch als Gewürz). Wegen des hohen Preises wurde er in reiner Form nur selten und dann nur bei hochwertigen Stücken verwendet. Weitere Gelbfarbstoffe wurden aus dem Färberwau, einer Resedaart (Reseda luteola), und dem Färberginster (Genista tinctoria) gewonnen. Auch Extrakte aus der Schale des Granatapfels, vor allem aber aus dem Isperek, einer Wolfsmilchart, wurden verwendet. In Verbindung mit Alaunbeize liefert Isperek ein sattes Gelb. Für die vielen neben Rot, Blau und Gelb in Teppichen vorkommenden Farben wurden vorwiegend Mischungen der aufgeführten Grundfarben vorgenommen, Wolle, die in Verbindung mit Eisenvitriol gefärbt wurde, versprödet im Laufe vieler Jahrzehnte durch die reduzierende Wirkung des Eisensulfats. Dies führt dann dazu, daß bei alten und antiken Teppichen der Flor an diesen Stellen schwindet, ja bis auf den Knoten zurückgeht, wodurch ein reliefartiges Aussehen entsteht. Am ausgeprägtesten erscheint dies bei Schwarz, das mit Gallapfelextrakt und Eisenvitriol gefärbt ist. Dieser Farbstoff, Eisengalat, ist außerordentlich lichtecht und ist beispielsweise der wesentliche Bestandteil der Eisengallus-(Urkunden-)Tinte. Gelegentlich findet man auch grüne Färbungen (besonders bei alten Ferahan-Teppichen) und violettrote Tonungen (bei Erzeugnissen im Raum Melas und den vorgelagerten Inseln), bei denen der Flor früher abstirbt. Die Ursachen sind die gleichen wie bei Schwarz. Verschiedentlich wird für Schwarz auch ungefärbte Wolle von schwarzen Schafen verwendet. So ist es möglich, daß auch bei antiken Teppichen schwarze Partien noch voll erhalten sind.
Die geheimnisvoll gehütete Kunst des Färbens durch Wurzeln, Pflanzen und Mineralien sowie Produkten tierischer Herkunft erfuhr um das Jahr 1870 durch die künstlichen Farbstoffe eine Wendung. Wenn auch manche (wie z.B. das Alizarin) den guten natürlichen Farbstoffen gleichwertig waren, so gab es doch auch viele, die nur eine geringe Echtheit hatten, Dies führte dazu, daß beispielsweise die Verwendung von synthetischen Farbstoffen wegen ihrer schlechten Qualität in Persien verpönt war. Die Entwicklung der modernen Farbstoffe konnte jedoch nicht aufgehalten werden, da mit ihnen auch der Färbeprozess oft erheblich vereinfacht wird. Eine umfassende Palette echter Farbstoffe, meist auf Metallkomplex-Basis, steht heute den Färbereien zur Verfügung. Vereinzelt handelt es sich dabei um künstlich hergestellte Farbstoffe, die auch in der Natur vorkommen (z.B. Alizarin, Indigo), meist sind es jedoch völlig neu geschaffene Verbindungen. Wenn auch die Grundfärbemethoden (Beize, Küpe) gleichgeblieben sind, so wurden doch die einzelnen Arbeitsgänge verfeinert. Vor allem wurde der Vorbereitung des Garnes erheblich mehr Bedeutung beigemessen. Während beispielsweise die frischgeschorene Schafwolle früher durch Behandlung mit bestimmten Wurzelauszügen (Seifenwurzel) mehr oder weniger gut entfettet wurde, stehen heute dafür chemische Mittel zur Verfügung, die eine absolute und gleichmäßige Entfettung gewährleisten.
Diese zunehmende Verbesserung des Färbens führt aber leider auch dazu, dass das Gesicht des Teppichs verändert wird. Der ästhetische Genuss, den wir beim Betrachten eines Teppichs empfinden, rührt wohl in erster Linie von seinen Farben her und deren Harmonie in Zeichnung und Ornamentik. Ein alter, mit Naturfarben gefärbter Teppich hat einen unerreichten Charme. Der Schmelz seiner Farben kann mit den heutigen, exakten Färbemethoden nicht erreicht werden. Betrachtet man bei einem alten Teppich ein anscheinend gleichmäßig gefärbtes Feld genauer, so erkennt man, daß die Farbfläche nicht völlig homogen und gleichförmig ist. Die einzelnen Wollfasern zeigen verschiedene Nuancen des Grundtones. In einer Grünfläche zum Beispiel können die Wollfasern der Knoten von gelbgrün bis zu blaugrün variieren. Der Glanz ist unterschiedlich, und betrachtet man die Stelle mit einer Lupe, so sieht man, daß neben recht intensiv gefärbten weniger stark gefärbte oder sogar fast ungefärbte Fasern vorhanden sind. Erst die Summe all dieser vielen Tonschattierungen verleiht dann den Gesamteindruck der Farbe, und den unbeschreiblichen Reiz, den wir an antiken Stücken so sehr schätzen. Der Grund dafür liegt einesteils an der ungleichmäßigen Entfettung der Wolle, wodurch die einzelnen Fasern die Farbe mehr oder weniger gut annehmen, andererseits darin, dass die aus den Pflanzen gewonnenen Farbstoffe neben dem färberisch wirksamen Farbstoff noch zahlreiche Nebenbestandteile enthalten, die das gleichmäßige Aufziehen auf die Faser beeinflussen. Demgegenüber erscheinen die Farben in einem neueren Teppich, dessen Wolle exakt vorbereitet und mit künstlichen reinen Farbstoffen gefärbt ist, hart und leblos.
* Anmerkung Waid: Der Waid gehört zur Kreuzblütlergattung mit etwa 50 krautigen Arten, die meist im östlichen Mittelmeergebiet mit gelben, aufrechten Blütenstauden vorkommen. Bei dem zweijährigen Färberwaid handelt es sich um bis zu einem Meter hohe Stauden, die in ihrem Saft einen sich an der Luft blau färbenden indigoartigen Farbstoff enthalten.
Quelle: Peter Bausback, Antike Orientteppiche, Klinkhardt & Biermann, Braunschweig 1978