Geknüpfte Teppiche werden im Wesentlichen in den von uns geschichtlich erfassbaren Epochen mit der islamischen Kunst in Verbindung gebracht. Was war die eigentliche Veranlassung in der Frühgeschichte, geknüpfte Textilien herzustellen; wann war der Beginn? Es ist als gesichert anzunehmen, dass geknüpfte Textilien als Ersatz für ein Fell angefertigt wurden. Bereits in der Vorgeschichte müssen Textilien existiert haben, die in primitiver Form ein geknüpftes Vlies dargestellt haben. Der Schutz des Menschen vor Kälte war ursprünglich ein Fell. Den ersten Kulturnachweis lieferten uns Jägernomaden, die aus dem Reichtum der Tierwelt ihren alltäglichen Bedarf befriedigten; Nahrung und Felle waren reichlich vorhanden. Im Verlauf der Entwicklung wurde ein Teil der Jägernomaden zu sesshaften Bauern, die neben Agrarwirtschaft auch Viehzucht betrieben.
Die Wollprodukte konnten in drei verschiedenen Techniken für den Menschen nutzbar gemacht werden. Zum ersten in der Herstellung von gewalkten Wollfilzen, wahrscheinlich die früheste Stufe. Heute noch ist diese Technik in den meisten Nomadengebieten des Orients bekannt. Filzteppiche sind vor allem für die nomadisierenden Stämme Turkmeniens und anderer Gebiete lebensnotwendig. Die Dachkonstruktion einer Jurte wird in unserer Zeit noch genauso wie vor 2000 Jahren mit einem gewalkten Filz bedeckt. Dieser hat die Eigenschaft das Wasser einer kurzen Regenperiode aufzunehmen, so daß je nach Dichte und Stärke in die Behausung keine Feuchtigkeit eindringen kann, da sie von Sonne oder Wind entzogen wird.
Eine zweite Verwendung von Wolle bestand darin, aus ihr gewebte Produkte herzustellen. Diese Technik war ebenfalls frühzeitig bekannt. Viele Nomadenstämme gebrauchen diese Technik zur Anfertigung von Bodenteppichen und Gebrauchsgegenständen wie Taschen, Säcken und Kissen. In dieser Technik werden auch die Kelims hergestellt., Daher findet man viele ursprüngliche, ethnische Muster auf Kelimarbeiten. Noch in unserem Jahrhundert gibt es Nomadengruppen, die in gleicher Tradition ihre gewebten Kelims herstellen.
In Südpersien existierten noch um 1930 Nomaden, die mit Naturfarben großflächige Kelims arbeiteten. Sie unterlagen nicht den Einflüssen ihrer modernen Umwelt.
Für die dritte Herstellungsart ist die Kelimtechnik die Grundlage. Sie ist die Grundlage des Knüpfens überhaupt. Ein Wollbüschel wird durch Umschlingen der Kettfäden im Grundgewebe angebracht, die Befestigung wird durch mehrere Schussfäden erreicht. Der Schussfaden wird in horizontaler Richtung durch die Kettfäden gezogen. Hierbei entsteht ein fellartiges Vlies. Durch die Verwendung verschiedenfarbiger Wolle kann das jeweilig gewünschte Muster erreicht werden. Es muss eine Musterentwicklung stattgefunden haben, die von einfachen Farbflächen zur gegenständlichen Darstellung geführt hat.
Die früheste uns bekannte geknüpfte Textilie wurde in einem Grab bei Pazyryk gefunden. Dies liegt im südsibirischen Altaigebirge, nördlich von Ostturkestan. Durch weitere Grabbeigaben konnte das Alter auf 500/400 v.Chr. festgelegt werden. Dieser findet seinen Ausdruck in der figürlichen Darstellung von Reiter und Pferd. Die Entstehungszeit des Pazyrykteppichs gehört in die Epoche der Achämeniden, in deren Regierungszeit auch Persepolis, der Regierungssitz der altpersischen Könige, entstand. Es liegt in Südpersien, 40 km von Schiras entfernt, in einem fruchtbaren Tal, das von Isfahan nach Schiras führt. Pferde und Reiter waren zur damaligen Zeit der Ausdruck der Stärke und Macht. In den Steinarbeiten von Persepolis finden sich Darstellungen von Pferden und Reitern, die sich mit denen des Pazyrykteppichs vergleichen lassen. Ausgrabungen im Turfangebiet in Ostturkestan brachten kleine Fragmente zutage. Anhand von weiteren Ausgrabungsgegenständen konnte die Entstehung auf das 5./6. Jahrhundert n.Chr. festgelegt werden. Diese kleinen Fragmente sind heute nicht mehr erhalten, da sie den Kriegswirren des 2. Weltkrieges zum Opfer fielen. Außer verschiedenen Reisebeschreibungen, die nur Knüpfteppiche erwähnen, ist uns bis zum 11. Jahrhundert kein weiteres Knüpfobjekt erhalten geblieben.
Aus diesem Jahrhundert stammen die nächsten Fragmente geknüpfter Teppiche. Sie wurden in Konya, der Hauptstadt der Seldschuken (11. bis 14. Jahrhundert) entdeckt. Die Seldschuken, ein Stamm der Oghusen, deren Heimat Ostturkestan war, besiedelten teilweise die kaukasischen Gebiete und stießen bis zur Türkei vor. Da das Ursprungsland der Seldschuken und die Fundorte der frühesten bekannten Knüpfteppiche (Pazyryk, Turfan) nicht weit voneinander entfernt sind, ist es naheliegend, den Ursprung der Knüpfkunst in Ostturkestan zu suchen. Durch die Völkerwanderung der Seldschuken wurde das Handwerk des Knüpfens über Turkmenien und den Kaukasus in die Türkei gebracht.
Die Herrschaft der Seldschuken in der Türkei legte den Grundstein der islamischen Knüpfkunst. Ab dieser Zeit lassen sich die einzelnen geschichtlichen Epochen des geknüpften Teppichs zurückverfolgen. Das 11., 12. und 13. Jahrhundert ist nicht lückenlos belegt, lässt sich aber doch durch verschiedene gut erhaltene Fragmente, verbunden mit der seldschukischen Baukunst, überblicken.
Eine Parallelentwicklung muss in der gleichen Zeit in den Gebieten Persiens stattgefunden haben. Der schonungslose Gebrauch und die Kriegswirren der damaligen Zeiten sind die Ursache dafür, daß aus dem 14. und 15. Jahrhundert keine Knüpfobjekte mehr erhalten sind. Auf Miniaturmalereien dieser Zeit sind jedoch geknüpfte Teppiche mit floraler Musterung zu erkennen. Mehrere großformatige und fein geknüpfte Teppiche mit vollendeten floralen Mustern sowie bewegten Jagdszenen wie z.B. auf dem Ardebil-Teppich oder dem Täbris des Poldi-Pezzoli- Museums in Mailand, sind aus dem 16. Jahrhundert vorhanden. Beispielsweise ist der Ardebil-Teppich 11,50 m mal 5,30 m groß, besitzt eine Knüpfdichte von 5000 Knoten pro dm², enthält bereits eine Seidenkette und besteht im Flor aus Wolle. Er ist ein Produkt der Regierungszeit des Safawiden-Shahs Thamasp (1524 bis 1576).
Zur Herstellung eines solch aufwendigen Knüpfobjektes müssen verschiedene Voraussetzungen gegeben sein: zum ersten das Vorhandensein eines Musterkartons, zum zweiten die Erfahrung und das Geschick der Knüpfmeister sowie zum dritten das Wissen um die Einfärbung der Wolle mit Farbstoffen aus der Natur. Zur gleichen Zeit wird auch in der Türkei die Teppichknüpfkunst auf der Grundlage der Seldschukenmuster weiterentwickelt und in den osmanischen Manufakturen von Ushak zur Hochblüte gebracht. Es entstehen Teppiche mit floraler Ranken- und Medaillonmusterung, jedoch im Gegensatz zur persischen Ornamentik wesentlich geometrischer. Es ist erstaunlich, wie sich Teppiche dieser Zeit in modern gestaltete Räume einfügen.
Die einzelnen mächtigen Dynastien hatten an ihren Höfen zum Ausdruck ihrer Macht die jeweils besten Knüpfer ihrer Zeit beschäftigt Auch die erbeuteten Kunstgegenstände waren Vorbilder und regten dazu an, ein gleiches Niveau zu erreichen. Die gegensätzliche Musterentwicklung in der Türkei und Persien ist auf verschiedene religiöse Richtungen zurückzuführen. Die naturnahe Wiedergabe von Pflanzen und Lebewesen soll im Islam nach Möglichkeit vermieden werden.
Diese Ansicht wird von zwei unterschiedlichen Gruppen, den Sunniten (Türkei und Nordostpersien) und den Schiiten (Persien) verschieden gehandhabt. Während die Schiiten diese Vorschrift wesentlich großzügiger auslegen, gestalten die Sunniten ihre Muster streng nach diesen Glaubensgeboten. Diese Gestaltungsunterschiede sind heute noch zu finden. Die kaukasischen Teppiche des 16. Jahrhunderts mit den unauffällig eingebauten Drachenmotiven sind eine Folge der sunnitischen Glaubensauffassung.
Quelle: Peter Bausback, Antike Orientteppiche, Klinkhardt & Biermann, Braunschweig 1978